Jubiläum: 20 Jahre Kinderhaus Shaligram Balgriha
KATHMANDU/LUBHU-BEILNGRIES – Aufgeregte und gespannte Stimmung herrschte am Silvester-Nachmittag 2016 im Shaligram Balgriha Kinderhaus. Der Grund: Die Einrichtung in Lubhu, nahe Kathmandu, feierte ihr 20-jähriges Bestehen. Aktuell leben hier 43 Voll- und Sozialwaisen aus allen Teilen Nepals. Zur Feier kamen rund 250 Gäste, darunter Politiker, unsere Kontaktpersonen in Nepal sowie die Mitarbeiter befreundeter Einrichtungen, Nachbarn und Eltern der Kinder.
Bis in den letzten Winkel waren Haus und Garten für die Feierlichkeit herausgeputzt. Schon seit Wochen waren Maler, Schreiner und Installateure dafür zugange. Dies hatte dem Gebäude nach 15 Jahren des Bestehens nicht geschadet und die anstehenden Feierlichkeiten waren der willkommene Anlass dafür. Bunte Luftballons und Girlanden schmückten das Gelände. Im Garten stand eine große Bühne, davor rund 250 Stühle für die Gäste. Die Bildergalerie am Gartenzaun zeigte Fotos all der Kinder denen das Shaligram über die zwei Jahrzehnte ein Hort der Erziehung und des Schutzes war. Während die nepalesischen Gäste nach und nach eintrafen, herrschte immer noch aufgeregte Betriebsamkeit: Die Kinder und Jugendlichen übten ein letztes Mal ihre Auftritte, die junge Moderatorin ging noch einmal das Programm durch, zahlreiche Mitarbeiter bereiteten das Essen vor. An diesem besonderen Tag hatte jeder seine Aufgabe.
Zuhause und Familie
43 Kinder zwischen vier und etwa 18 Jahren leben derzeit im Kinderhaus. Insgesamt werden und wurden in den letzten 20 Jahren 67 Kinder hinaus ins Leben begleitet, die keine Eltern mehr haben oder deren Eltern nicht in der Lage sind, ihnen eine sichere Zukunft zu bieten. 24 Jugendliche sind bereits integriert, beziehungsweise machen aktuell eine Ausbildung, um auf eigenen Beinen stehen zu können. Die Schwierigkeit sei es weniger, den Kindern ein angemessenes Leben zu bieten. Vielmehr sei die Integration und die Verselbstständigung der jungen Menschen die entscheidende Phase, schilderte Sunil Krishna Shresta, der langjährige Koordinator vor Ort bei seinen Grußworten die langjährigen Erfahrungen. Für die Kinder ist er wie ein Vater. Erfahrungsgemäß sei es wichtig, dass die jungen Menschen mindestens noch fünf Jahre nach ihrem Weggang in engem Kontakt mit den Verantwortlichen des Kinderhauses stehen, begleitet und unterstützt werden. Die anfallenden Kosten für die jeweiligen Berufsausbildungen trägt die Nepalhilfe Beilngries.
Solide Ausbildungen
Die 21-jährige Tsering Dolma Tamang, die 15 Jahre im Kinderhaus lebte, schilderte den rund 250 Gästen in bewegenden Worten ihre persönlichen Erfahrungen. Dabei sprach sie für viele der anderen Kinder. Die vielen wundervollen Momente im Kinderhaus trage sie in ihrem Herzen. Das Kinderhaus in Lubhu sei ihr Zuhause gewesen, dessen Mitarbeiter ihre Familie. „Ich habe mich nie als Waise gefühlt“, schilderte sie. Doch vor der Loslösung habe sie sich sehr unsicher gefühlt und sei durcheinander gewesen, schilderte sie die schwierige Phase. Inzwischen hat die 21-Jährige den Bachelor in Hotel-Management. Solide Ausbildungen wie diese machen die jungen Menschen fit für die raue nepalesische Realität und sind daher eine wichtige Basis für den nicht einfachen Alltag in Nepal.
Kinder stehen im Mittelpunkt
Ehrengäste wie Udaya Nepal Shresta (Mitglied des Nepalesischen Parlaments), Gautam Das Shresta (Vorsitzender des Organisationskomitees Nepalhilfe) und Atma Ram Satyal (Chef der Verwaltungseinheit Lalitpur) beglückwünschten bei ihren Reden die Verantwortlichen und die Mitarbeiter für ihre gute Arbeit. Sie dankten ihnen und der Nepalhilfe Beilngries für deren immens wichtigen Einsatz, welcher der gesamten nepalesischen Gesellschaft zu Gute kommt.
Ganz im Mittelpunkt standen an dem Tag aber die Kinder und Jugendlichen vom Kinderhaus. Mit traditionellen Liedern und modernen Tänzen boten sie den Gästen ein unterhaltsames und vielfältiges Programm. Schülerinnen der benachbarten und befreundeten Mary Ward Schule – geführt von indischen Schwestern – gaben die nepalesische Hymne und ein Weihnachtslied zum Besten.
20 Jahre Kinderhaus
Das Shaligram Balgriha Kinderhaus wurde federführend auf den Impuls des früheren Vorsitzenden der Nepalhilfe, Karl Rebele, initiiert. Der Besuch von Christiane Herzog, der Gattin des ehemaligen Bundespräsidenten Roman Herzog im November 1996 kann als Initialzündung bezeichnet werden. Die erst wenige Jahre alte Hilfsorganisation gelangte damit ins Licht der breiteren Öffentlichkeit, wodurch sie entsprechende Aufmerksamkeit erlangte und sich der Kreis der Spender wesentlich erweiterte. Beim Start im Jahr 1996 haben zunächst 14 Kinder eine Bleibe in dem in Kathmandus Stadtteil Jhawalakel angemieteten Wohnhaus gefunden. Soni Shresta, die Schwester von Sunil Shresta, übernahm als ausgebildete Lehrerin die Bet4reuung und Verwaltung ehe sie nach der Eheschließung in den Süden Nepals ging.
Im Jahr 2000 erwarb die Nepalhilfe in Lubhu, einem damals wirklich verträumten kleinen Ort und südöstlich der Hauptstadt gelegen, ein entsprechendes Grundstück. Dort sollte ein eigenes Kinderhaus entstehen, das Platz für 40 – 50 Kinder bieten sollte. Dies in enger Nachbartschaft zu den Englischen Fräulein, die dort eine Schule unterhielten. Diese symbiotische Verbindung hat seit dem Beginn des sozialen Engagements Bestand. Das Gebäude bietet seither den Kindern heimelige Wohnlichkeit und ist ebenso solide wie funktionell. Gebaut wurde es vom Vater der jetzigen Kinderhaus-Managerin Radhika Singh Maharjan. Von den Auswirkungen des schweren Erdbebens im Frühjahr 2015 blieb es weitgehend verschont, was sowohl an den Bauplänen junger bayerischer Architekten als auch deren qualitativer Umsetzung liegen dürfte.
Die Energieversorgung, in diesem Land ein alltäglich wiederkehrendes Problem, basiert unter anderem auf Photovoltaik, Sonnenkollektoren für Warmwasser, Biogas für die Küche und andere Einrichtungen wie Solarkocher. Eine größtmögliche Unabhängigkeit von den landesüblichen Versorgungsengpässen wollten die Planer damit erreichen. Das nahegelegene Farmland wird biologisch bewirtschaftet und dient weitestmöglich der Selbstversorgung des Kinderhauses.
Freude über gelungene Feier
Nach dem offiziellen Teil der Feier hatten die Gäste bei einem üppigen Mittagessen die Gelegenheit miteinander ins Gespräch zu kommen. Der Nachmittag gehörte dann ganz den Kindern und Mitarbeitern des Kinderhauses, die zu nepalesischer Musik ausgelassen tanzten und so ihre Freude über die gelungene Feier zum Ausdruck brachten.
Text/Fotos: Anne Oschwald, Freie Journalistin